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Album: Das weiße Lied (2007)

Eros

Kalte Leidenschaft überflutet diese Nacht. Leises Vibrieren steigert sich bis ins Unberechenbare. Zwei Körper werden ein Wesen und stilles Verlangen zu voller Hingabe. Du stehst an Klippen, schaust hinunter. Tief unten, dunkelblaue See. Dir ist war. Dir wird immer wärmer.

Auf der gegenüberliegenden Seite der Meerenge taucht die Abendsonne alles in tiefes Orange. Hier und da spiegelt sich die Sonne in den Fensterscheiben auf dem Festland, doch hier, hier über ihrer Insel, regnet es. Sie ist allein und sitzt auf ihrer Terrasse. Olivenbäume säumen ihren Blick hinüber auf das andere Ufer. Seit ihr Mann fort ist, sitzt sie jeden Abend hier auf einen kleinen Bank aus dunklem, verwitterten Holz. Vor ihr steht Tee auf einem kleinen Schemel. Rhododendron, Zitronenbäume und kleine Zypressen sind ihre stillen Genossen, die, wie sie, das Abendrot genießen wollen. Er war ein guter Mann, auch wenn sie es anfangs nicht begriff. Wenn sie es auch beide nicht begriffen hatten, so hielt das Schicksal doch die Hände über sie und schützte ihre Liebe bis zum Unausweichlichen. Es war eine schöne Zeit mit ihm gewesen. Vieles an Erlebten taucht in ihr auf, kramt sich selbst aus der tiefsten Nacht ihres Gedächtnisses hervor. Der laue Wind weht von drüben Gesänge herüber.

Wie erschrocken sie damals war, als sie es zum ersten Mal hörte. Sie hatten viele Stunden hier auf ihrer Terrasse verlebt. Ein ganzes Jahr hatte es gedauert ehe er sie zum ersten Mal berührte. Hier an dieser Balustrade, in diesem Land, wo selbst im heißesten Sommer alles in Tücher gehüllt wird. Sie trug damals ein leichtes Kleid, das ihr bis zu den Füßen reichte, und eine Sommerbluse, in der sich ihre Brüste ziemlich genau abzeichneten. Ihr Mann wusste damals nicht, was ihr fehlte. Sie auch nicht. Und eigentlich war es auch nicht das, was sie vermisste. Sie wartete darauf, ja, aber sie ließ ihm Zeit und respektierte seine Lebensart. Ein besonderer Tag war das. Sie erinnerte sich noch genau an das Summen der Bienen um die Oleanderblüten. Im sinkenden Abendrot also, würde es einfach geschehen. Sie war nicht abgeneigt, nur verunsichert. Noch während sie ein ?aber? einwenden wollte, griffen seine großen Hände ihren Hintern, nicht zu fest, aber auch nicht gerade sanft, eben genau so, wie es ihr gefiel. Ganz langsam raffte er ihr Kleid von hinten hoch bis ihr Po gänzlich unbedeckt war.

Ein leichtes Kribbeln wandert vom Hals abwärts über den Rücken. Sie wischt sich mit der rechten Hand über das Dekolleté zur linken Schulter. Sie hängt ihren Gedanken nach. Ihre rechte Hand liegt still unter dem Träger ihres Kleides, während der anderen, vom Bewusstsein unbemerkt, ein Ausflug vom immer noch schlanken Bauch über den kleinen Hügel ihrer Mitte zu den Oberschenkeln gelingt. Von drüben wehen immer noch Gesänge herüber. Drüben zwischen dem Festland und dem Steg, unterhalb ihres Hauses, fließen 300 Meter breite Wassermassen. Dort tönt ein dunkles Hupen. Die Fähre von der Stadt spuckt die letzten Passagiere aus und entlässt sie in den Feierabend. Von hier oben sind sie ganz klein. Man kann kaum ihre Gesichter erkennen und doch weiß sie, wer da alles kommt. Nachbarn, Nachbarn, die, wie sie, drüben arbeiten und hier auf der Insel ihr Domizil errichteten und nun dem Stress der Großstadt für die Nachtstunden entkommen können. Sie bemerkte, dass ihr die Öffentlichkeit der Terrasse zunehmend egal wurde und spürte eine Gier nach seiner Hitze. Ihr Kopf wandt? sich nach hinten, ihr Mund suchte den ihres Mannes, während der damit beschäftigt war ihren Hals von hinten nach vorne zu liebkosen. Statt seines Mundes, fand sie sein Ohr. Sie flüsterte ihm selbiges, atmete lauter, weil sie sich erinnerte, was sie damit in Männern anrichten konnte. Ihre Zunge spielte mit seinen Ohrläppchen, während seine auf der, mittlerweile freigelegten, Schulter einen feuchten Salsa tanzte. Seine Hände wanderten von ihrem Hintern nach vorn die Hüften entlang. Seine Finger bogen sich und die gepflegten Fingernägel hinterließen rosige Streifen auf der Innenseite beider Oberschenkel. Als wollten sie ihren Übermut entschuldigen, strichen sie ihn so sanfter zurück und trafen sich, berührten, wie zufällig, den kleinen Hügel. Im nächsten Augenblick waren sie schon am Bauchnabel, doch dieser eine Wimpernschlag ließ seine Geliebte erschauern, ließ sie beben, und erahnen, was ihr heute noch geschenkt würde.

Ein Hund bellt unten auf der Straße, doch es interessiert sie nicht. Wie von selbst, spreizen sich ihre Beine, während ihre Hand sanft den Weg zurückstreicht, den sie gekommen war. Im Oberschenkel kribbelte es. Ihr fällt auf, dass sie heute, so viele Jahre später, wieder dieses Kleid anhat, welches ihrem Mann so gefiel. Man kann es an der Vorderseite aufknöpfen. Er, aber, striff es immer von hinten hoch. Langsam knöpft sie ihr?s von oben herauf. Erst einmal nur einen Knopf. Ihr linker Fuß, erhoben auf dem Rand der Bank, lässt den Saum ihres Kleides in die Winkel ihrer Hüfte rutschen. Ruhig schließt sie ihre Augen und ein zweiter Knopf eröffnet ihrem Dekolleté die Schwüle der hereinbrechenden Nacht. Sie rafft das Kleid bis zur Taille und empfindlich ist sie bereit für den sachtesten Windhauch. Nach dem dritten Knopf fühlt sie spitze. Vorsichtig tasten ihre Finger seitlich in den warmen weißen Stoff, ihre Brüste heben sich über den Atem der Erinnerung.
Er schob ihr Kleid über die Brüste. Sie konnte die kalte Metallschnalle seines Gürtels am Steiß und seine Bereitschaft an ihrem Po spüren. Sanft, aber bestimmt, erforschte er die Spitzen ihrer Rundungen. War es ein Hauch oder ein Stöhnen, das sich ihres trockenen Mundes entschlich? Auch ihm wurde der Atem schwer. Er ertrank fast in ihrer Lust. Zittrig fuhren seine Finger ins Tal aller Sinne, wo sie mittlerweile in einem Weiher der Wonne baden konnten. Er beugte sein Knie, wie vor einer Prinzessin, dreht seine Frau energisch um und trank von ihrem Glück, während sie sich ihm gänzlich anvertraut und trotzdem unsicher und immer schwächer werdend versuchte, in seinen Haaren Halt zu finden.
Vom Bauchnabel hinunter ist der Weg nicht weit. Ihre Linke findet ihn von allein und taucht durch die Seide ihres Slips hindurch in ihre Mitte, streichelnder, tastender und voller Hingabe massierender Sinnesraub. Ihre Rechte ergötzt sich am Rasen des Herzens unter den harten Brustwarzen. Immer heftiger braut sich ein Gewitter über dem Hort ihrer Seele zusammen. Ihr Kopf sinkt in den Nacken. Die Spitze ihrer Zunge benetzt ihre trockenen Lippen. Benommen, und doch in sich geborgen, bäumt sie sich auf. Ihr Fuß rutscht von der Bank. Einem Geysir gleich, bricht ihre Welt auseinander, erwacht die Erinnerung an ihr letztes gemeinsames Seelengewitter und offenbart den Moment ihrer größten Schwäche. Es regnet. Ihre Augen, verschleiert durch Trauer die nicht weichen will, nicht weichen kann nach 37 Jahren Liebe.
Du möchtest springen. Da wartet Kühle. Es ist so tief. Dir ist warm. Dir wird immer wärmer. Du spannst an, springst, Sekunden freier Fall. Du spürst das Wasser immer näher kommen. Du tauchst ein. Strömende Leidenschaft umgibt dich und du sinkst in tiefe Ruhe.




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